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23.06.2020

Zum Tag der Daseinsvorsorge - Chancen für und mit Abwasser

Drei Fragen zu einem lebenswichtigen Thema

Die Reinigung unseres Abwassers ist hochkomplex und logistisch aufwändig. Experten arbeiten derzeit an der Einführung einer „vierten Reinigungsstufe“, bei der noch mehr Substanzen gefiltert werden können. Bernhard Eck, Vorstandsvorsitzender des Entsorgungs- und Wirtschaftsbetriebs Landau (EWL) erklärt, welche Rolle dieser oft vergessene Bereich im Gefüge unserer Daseinsvorsorge spielt und welche Chancen er bietet.

 

Herr Eck, funktioniert die Abwasserreinigung eigentlich immer?
Selbstverständlich – eine Kläranlage arbeitet rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Das haben wir vom EWL und auch die Kolleginnen und Kollegen in anderen Städten und Gemeinden in den letzten Wochen bewiesen. Während des Corona-Lockdowns blieb in Deutschland kein benutztes Wasser ungereinigt! Unsere Kläranlage in Landau arbeitet stark automatisiert. Dennoch müssen die Anlagen und Prozesse überwacht werden – aber im Notfall muss eine Fachkraft eingreifen. Abwasserreinigung ist systemrelevant. Im Rahmen der Maßnahmen zum Infektionsschutz arbeitet das Team in der EWL-Kläranlage seit Mitte März im Zweischichtsystem. Und: Für den Fall der Fälle haben wir auf dem Betriebsgelände Übernachtungsmöglichkeiten geschaffen. So stellen wir sicher, dass auch unter Pandemiebedingungen alles sicher funktioniert.

 

Funktioniert die Abwasserreinigung überall gleich?
In den Grundzügen ja, es gibt immer zunächst eine mechanische Reinigungsstufe. Hier werden grobe Bestandteile aus dem Abwasserstrom entfernt. Danach folgt eine mikrobiologische Reinigung. Spezielle Bakterienkulturen nutzen dabei die Inhaltsstoffe des Abwassers quasi als Nahrung. Damit sie dies sehr effizient machen, versuchen wir ihnen die jeweils optimalen Lebensverhältnisse zu bieten – beispielsweise durch Anpassung des Sauerstoffgehaltes im Klärbecken. Im dritten Schritt wird durch Einsatz von chemischen Substanzen die Bildung von großen Schlammflocken aus Bakterien unterstützt und Phosphor in den Flocken gebunden. Somit lassen sich die Bakterien leichter vom Wasser trennen. Auf diese Weise wird Abwasser wieder sehr sauber. Es gibt genaue Vorgaben, mit welchen Werten es wieder in die Natur entlassen werden darf. Doch wir wollen in Landau mehr und arbeiten daran, eine vierte Reinigungsstufe einzuführen. Hintergrund ist, dass immer mehr Spurenstoffe und auch Mikroplastik im Abwasser und damit in der Kläranlage landen. Das sind beispielsweise Arzneimittel, die den Körper ja teilweise wieder auf natürlichem Wege verlassen. Auch kleinste Kunststoffpartikel von Kleidungsstücken geraten beim Waschen in der Maschine ins Abwasser. Wir arbeiten dafür, dass künftig unsere Abwasserreinigung auch solche Substanzen erfasst. Hier gibt es interessante neue Forschungsergebnisse, maßgeblich entwickelt am Universitätsstandort in Landau. Der EWL möchte das neue Verfahren als Pilotbetrieb in Rheinland-Pfalz umsetzen. Das ist aufwendig und teuer, deshalb haben wir beim Land eine Förderung beantragt. Das ist wirkliche Daseinsvorsorge.

 

Das hört sich spannend an. Gibt es sonst noch Potentiale?
Durchaus – denn mit Hilfe des Abwassers kann man Rückschlüsse auf die Bevölkerung ziehen. Bleiben wir doch bei Covid-19, die Pandemie beschäftigt uns ja immer noch: Derzeit gibt es an mehreren Stellen in Europa Analysen in den Kläranlagen, die auf das Infektionsgeschehen in der Bevölkerung hinweisen. Das funktioniert bei Covid-19 schon ganz gut und lässt Rückschlüsse auf die nicht entdeckten Infektionen zu. Auch bei Masern- und Polioerregern funktioniert das. Die Analysetechnik ist heute so präzise, dass sie minimale Virenreste im Abwasser nachweist – noch bevor Symptome bei Personen festzustellen sind. Wissenschaftler planen nun, darauf ein Frühwarnsystem aufzubauen.

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